Presse- und Rundfunkberichte zur Tahl- Ausstellung

Nordwest-Zeitung, 23.01.2002:
Motivsuche auf dem Motorroller

DIABOLO Wochenzeitung, 
Ungewöhnliche Ausstellungseröffnung

DIABOLO Wochenzeitung, KW 03/2002 (16.bis 23.1.2002)
„Der rollernde Fotograph“
  

Beitrag im Rundfunk vom 24.01.2002
NordwestRadio (Günter Beyer)

Oldenburger Sonntagszeitung, 27.01.2002
Schatz auf dem Dachboden

Oldenburg AKTUELL 31.Januar 2002 KW 05
Gustav Alexander Thal - Der "rollernde Photograph"

Magazin ASPHALT ("Nord-West- Empfehlung")
"Fotos vom rollenden Photographen"  

big-Oldenburg, Februar 2002
Gustav Tahl - Der rollernde Photograph

 

 

 

Nordwest-Zeitung, 23.01.2002

Motivsuche auf dem Motorroller

Per Zufall entdeckte der Verein „Werkstatt­film" den Fotografen. Zwei Jahre lang wurde recherchiert.  

Von Klaus Fricke                                                                                                                                                                                                               

 Oldenburg. Farschid Ali Zahedi wollte eigentlich nur einen gebrauchten Filmprojek­tor kaufen, als er 1993 auf ei­nem Dachboden eines Hauses in derNWZ (Fricke) Hirschberger Straße stand. „Nehmen Sie doch die Leinwand auch noch mit",meinte der Besitzer. „Die brauche ich nicht", entgegnete der Leiter des Oldenburger Vereins „Werkstattfilm" - und trat dann trotzdem schwer be­packt den Heimweg an. Zahedi hatte nämlich einen Kar­ton mit alten Fotos entdeckt und erworben, ein Karton, der später den Grundstock bil­dete für eine rund zweijähri­ge Recherche über den Hersteller der Bilder. Am Ende der Arbeit von Zahedi und Melanie Pust stehen nun ein ungewöhnlicher Bildband und eine ungewöhnliche Aus­stellung. Das Wirken des Foto­grafen   Gustav Alexander Tahl (1891-1954) wird auf die­se Weise gewürdigt.

1920 kam Tahl mit seiner Frau Margarethe nach Olden­burg und eröffnete in der Ul­menstraße sein Geschäft für Gewerbe- und Industriefoto­grafie. Acht bis neun andere Fotografen waren nach Zahedis Forschungen zu jener Zelt ebenfalls in Oldenburg tätig, „doch Tahl war der einzige, der auch außerhalb des Stu­dios arbeitete". In seinem neo­realistischen Stil bildete Tahl als „rollernder Photograph" (so der Volksmund in Anspie­lung auf den Motorroller des Fotografen) Szenen des städti­schen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens Old enburgs abseits der üblichen Motive der Residenzstadt ab. So überdauerten Einblicke in Produktionsabläufe von Fir­men, Ansichten von inzwi­schen fast vergessenen Bau­ten oder Darstellungen des Alltags im Oldenburg der 20er Jahre die Zeit. „Wichtig ist auch, dass Tahls Fotos kei­ne Zufallsprodukte waren, sondern ganz gezielt aufge­nommen wurden", beschreibt Zahedi die Arbeitsweise des Manns mit dem Roller,

Fricke- Artikel Tausende Bilder entstan­den so, von denen viele aber nicht mehr existieren. Denn der gebürtige Rumäne Gustav Tahl, Sohn jüdischer Eltern, musste 1935 Oldenburg und Deutschland aus Furcht vor den Nazis verlassen. „Bei der Flucht gingen unzählige Fo­tos verloren", weiß Melanie Pust. „Unter anderem fehlen seine Aufnahmen von Turnfes­ten. Vielleicht gibt es ja noch welche auf irgendeinem Dach­boden." Die Familie wander­te nach Holland aus, wo die Nachfahren Thal s (u.a. sein Sohn Friedel, der viel zum Zu­standekommen des Projekts beigetragen hat) heute noch leben.

Der Bildband „Gustav Ale­xander Tahl - Photos aus Ol­denburg 1920-1935 ", der am heutigen Mittwoch im Isensee-Verlag   veröffentlicht wird (Preis 15 Euro, also 29,34 DM), und die Ausstel­lung „Gustav Alexander Tahl 1891-1954 ",    die    morgen Abend im Marmorsaal des Schlosses startet, belegen dar­um ausführlich das künstleri­sche und - aus heutiger Sicht - historische Wirken des mobi­len Fotografens. „Eine span­nende Sache, weil so viele re­lativ unbekannte Szenen zu sehen sind, abseits klassi­scher Oldenburg-Motive", fin­det Verleger Florian Isensee. Der Bildband, für den Verein  „Werkstattfilm" ein „wunder­barer Abschluss der langen Arbeit", sei Ausstellungskata­log und eigenständiges Werk zugleich, sein Inhalt gehe über das im Schloss Darge­stellte noch hinaus.

 


Ungewöhnliche Ausstellungseröffnung

Späte Ehrung von Gustav Tahls Bildern und Leben im Landesmuseum im Schloß  Gesamter Artikel

Der „Pferdemarkt" als Handelsplatz der Viehbarone, wo man noch mit Handschlag ein Geschäft besiegelte. Die „Harmonie" in Osternburg als Lichtspielhaus. Die Knochenarbeit der Wanderarbeiter, die den Küstenkanal gebaut haben. Das ist Oldenburger Ge­schichte der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, in Bildern festgehalten von dem jüdischen Fotografen, Doku­mentarfilmer und Maler Gustav Tahl.

Zur Oldenburger Geschichte gehört aber auch, daß die Familie Tahl 1936 vor den Nazis nach Holland flüchten mußte. Und diese Familie, Nachfahren von Gustav Tahl und seiner Frau Margarete Meijer, nahm mit großer Freude an der Eröffnung der Ausstellung teil.

Tahl Den historischen Schatz haben die Oldenburger maßgeblich dem im Iran geborenen Farschid Ali Zahedi und seinen KollegI nnen von „Werk­stattfilm e.V." zu verdanken. Für Zahedi, selbst emigriert, gehört die Vergangenheit zur Gegenwart. „Ich wollte wissen, wo ich lebe und mit wem." Das war sein Motiv für die aufwendige Recherche. Mehrmals fuhr er nach Holland, um die heute noch in Winschoten lebende Fami­lie Tahls zu besuchen und zu inter­viewen. Eine Menge Material ist da­bei zusammengekommen und eine Begegnung von Emigranten zweier mörderischer Regimes. Auch dies ist in der Ausstellung verborgen, die in Oldenburg viele materielle und ideelle Unterstützer gefunden hat. Außerdem von der Niedersächsi­schen Landeszentrale für Politische Bildung und sogar von der OLB ge­fördert wurde. Dies ist deshalb be­merkenswert, da sich wiederholt zeigte, daß bestimmte Themen aus der Vergangenheit für eine materiel­le Förderung nicht besonders beliebt sind. Es ist zu hoffen, daß diese Pra­xis der Vergangenheit angehört.

Rosy Reichert

 


DIABOLO Wochenzeitung, KW 03/2002 (16.bis 23.1.2002)

„Der rollernde Fotograph“Diabolo artikel michaela    
Über eine Ausstellung mit Bildern von Gustav Tahl aus den 20er Jahren im Landesmuseum

Oldenburg. „Den rollernden Fotographen" nannten ihn die Oldenburger. Gustav Alexander Tahl war auf dem Motorroller in der Stadt unterwegs, immer auf der Suche nach Motiven: Arbeiter, Bauern und Sportler fotografierte er ebenso mit geübtem Blick wie Industrieanlagen und die Großbaustelle „Mittellandkanal" im Oldenburg der 20er Jahre. Tahls Bilder sind ab 24. Januar im Landesmuseum zu sehen. Eröffnet wird die dreimonatige Ausstellung um 19 Uhr

Tahl hat Mediengeschichte in Oldenburg geschrieben, urteilt der Oldenburger Dokumentarfilmer Farschid Ali Zahedi: Er hatte „ein trainiertes Auge, zeigt uns, wie man in Oldenburg in den 20er Jahren gelebt hat". Zusammen mit Melanie Pust hat Zahedi die Ausstellung im Landesmuseum vorbereitet. Gustav Tahl besaß von 1920 bis 1936 erst ein, später drei Fotogeschäfte in Oldenburg. Doch nur Passfotos und Hochzeitsbilder zu produzieren, das war schon 1920 dem 29jährigen, in Rumänien geborenen Fotografen und Zeichner zu wenig. Industriefotografie und Dokumentarfilme reizten den jungen Familienvater, der nach der Heirat mit Margarete Meijer vom jüdischen zum evangelischen Glauben übergetreten war.

tahl Bei Recherchen für seine Dokumentarfilme ist Zahedi Mitte der 90er Jahre erstmals auf Fotos und Postkarten
von Tahl gestoßen. Zahedi, der auch die Ausstellung und Film über „Enteignung und „Arisierung" in Alltag und Wirtschaft in Oldenburg zwischen 1933 und 1945" mit organisiert hat, trug im Laufe der Jahre immer mehr Material über den jüdischen Geschäftsmann, der 1936 nach Holland fliehen mußte, zusammen. Eine Entrümpelung auf dem Dachboden eines Hauses in Osternburg förderte eine große Menge Filme und Bilder zu Tage. Weitere überraschende Fundstellen waren beispielsweise Flohmärkte. Zahedi setzte sich mit der Familie Tahls in Verbindung, die heute noch in Winschoten, dem damaligen Zufluchtsort der Familie Tahl, lebt. „Tahl hat ja immer fotografiert und gefilmt zugleich, er mußte also immer zwei sperrige und enorm schwere Ausrüstungen mitnehmen", erzählt Zahedi bewundernd. Die Bilder von Tahl sind eine Reise in die Vergangenheit. „Ein Bild vom Wallkino, vor dem die Besucher Schlange stehen, zeigt uns nicht nur das Gebäude und Menschen, die nach der damaligen Mode gekleidet sind. Da wird ein bestimmter Film auf dem Plakat angekündigt, und das eröffnet uns einen Blick auf eine andere Ebene, die Filmgeschichte." Zahedi hofft, daß die Oldenburger in der Ausstellung diese Vielschichtigkeit erkennen, etwas über sich erfahren, indem sie in die Vergangenheit schauen, „l984 bin ich nach Oldenburg gekommen und ich wollte wissen, wo ich lebe und mit wem. Und dazu gehört es auch, die Vergangenheit kennen zu lernen", erklärt Zahedi die Motivation seiner Recherchen. Der im Iran geborene Journalist und Filmemacher, der mit dem iranischen Regime in Konflikt geriet und politisch verfolgt wurde, ist heute Geschäftsführer von Werkstattfilm e.V in Oldenburg. Sein Name steht für die Gründung der Oldenburger Filmtage, mehr noch für die jüdischen Filmtage in Oldenburg 1997 und 1998. Zahlreich sind seine Arbeiten im Bereich kommunale Medien und Film. „Der Jude Tahl ist ja der erste Oldenburger Dokumentarfilmer", so Zahedi. „Auch mich interessiert vor allem die Geschichte vor Ort." Und wenn sich Zahedi als „Regionalist" bezeichnet, so trifft der Begriff sicher auch auf Tahl zu. Wer mehr zur Ausstellung oder zu den Projekten von Werkstattfilm wissen möchte: Telefon 0441/12180, Fax 7779063, E-Mail: Zahedi@'werkstattfilm.de. Zur Ausstellung erscheint ein Bildband vom Isensee-Verlag, der im Landesmuseum und im Buchhandel erhältlich ist.
(Die Ausstellung wird von der Niedersächsischen Landeszentrale Politische Bildung und der OLB gefördert.)

Michaela Gerner                    


Oldenburger Sonntagszeitung, 27.01.2002

Schatz auf dem Dachboden

Ausstellung im Schloss zeigt Fotos von Gustav Tahl aus dem Oldenburg von 1920 bis 1935

artikel sonntagszeitung Oldenburg. Manchmal sind es die kleinen Zufälle im Leben, die etwas Größeres nach sich ziehen. So erging es vor einigen Jahren Farschid Ali Zahedi, der über Kleinanzeige einen Projektor kaufen wollte und dabei auf einem Dachboden einen Schatz in Form von historischen Fotos aus Oldenburg stieß.
Es folgten zwei Jahre intensiver Recherche nach dem Fotografen. Das Ergebnis dieser Arbeit von Ali Zahedi und Melanie Pust stellt der Verein Werkstattfilm seit Donnerstag im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte im Schloss aus. Bis zum 17. März sind die Fotos des „rollernden Photographen" Gustav Alexander Tahl aus der Zeit zwischen ,1920 und 1935 zu sehen. Mit seinem Motorroller war Tahl in Oldenburg und Umgebung unterwegs und auch bekannt. Ob es der Bau des Küstenkanals, Aufführungen des Landestheaters,    Sportveranstaltungen, Einblicke in Betriebsabläufe oder der Besuch Hindenburgs war - Gustav Alexander Tahl war mit seiner Ausrüstung vor Ort. Gleichzeitig war er der erste Oldenburger Dokumentarfilmer.
Die Ausstellung thematisiert aber auch, dass Gustav Alexander Tahl aufgrund seiner jüdischen Abstammung seine Existenzgrundlage in Oldenburg verlor. 1936 kapitulierte er vor den Verhältnissen und emigrierte nach Holland, wo ihn vier Jahre später die Verfolgung einholte. In einem Versteck auf dem Dach seines Hauses in Winschoten überlebte er die Besatzung als schwerkranker Mensch. Er starb im Februar 1954. Ein wichtiges Anliegen war es den Organisatoren, den Fotografen und sein Schicksal wieder in Erinnerung zu rufen.
Begleitend zur Ausstellung erschien im Isensee-Verlag der Bildband „Der 'rollernde Photograph' Gustav Alexander Tahl - Photos aus Oldenburg 1920 - 1935", der aber mehr Bilder zeigt, als im Schloss zu sehen sind.
 


Oldenburg AKTUELL 31.Januar 2002 KW 05

Gustav Alexander Thal
Der "rollernde Photograph"

Photos aus Oldenburg 1920 bis 1935 im Oldenburger Schloss

(PB). Gustav Alexander Thal wurde 1891 in Rumänien geboren, zog nach seiner Heimkehr aus dem l. Weltkrieg 1920 mit seiner Frau Margarete nach Oldenburg und baute sich hier eine Existenz als Photograph auf. Er eröffnete zunächst das Photogeschäft für Kunst, Industrie und Gewerbe in der Ulmenstraße 9 in Ostemburg, dem zwei Filialen in den 30er Jahren folgten, machte Aufnahmen von Auf­führungen des Landesthea­ters, begleitete den Bau des Küstenkanals und beob­achtete die Arbeiter der Bölts AG und zahlreiche Sportveranstaltungen ebenso durch sein Objektiv wie den Besuch Hindenburgs. Wo immer etwas los war, der “rollernde Photograph“ war dabei. So ist ein Stück Oldenburg- und Mediengeschichte mit dem Namen Thal und dessen - am Stand der damaligen Technik gemessenen - meisterhaften Photos verknüpft. Zudem war Thal der erste Dokumentarfilmer der Region.                            

1934 machte ein Oldenburger SA-Mann Thals jüdische Herkunft öffentlich und setzte damit die Familie, zu der inzwi­schen vier Kinder gehörten, dem Terror des nationalsozialistischen Regimes aus. 1936, vor die Frage „Auswandern oder Verhungern“ gestellt, ergriff Thal die Chance eines Geschäftstausches mit ei­nem Fotografen aus Winschoten in den Niederlanden. Ein zunächst lebensretten­der, wenngleich ungleicher Tausch, denn die Wohnverhältnisse und Arbeitsbedin­gungen waren deutlich schlechter als in Oldenburg.    

Nach dem Einzug deutscher Truppen in den Niederlanden hielt sich Gustav Ale­xander Thal vier Jahre lang auf einem Dachboden versteckt und kämpfte in der Folge jahrzehntelang um eine Entschä­digung. Dem Verein Werkstattfilm kam bei seinen Recherchen um den „rollernden Photographen der Zufall zu Hilfe. In Winschoten begegnete Farschid Ali Zahedi einem der Söhne des Oldenburger Fotografen, Friedel Thal, der nach anfänglicher Skepsis umfangreiches Mate­rial aus dem Familienbesitz zur Verfü­gung stellte, und er entdeckte darüber hinaus beim Ankauf eines alten Projektors auf einem Oldenburger Dachboden einen Karton mit historischen Fotos.

Bis zum 17. März sind die Fotos Gustav Alexander Thals als Ergebnis gründlicher Recherche und glücklicher Zufälle im Landesmuseum   für Kunst- und Kulturgeschichte im Oldenburger Schloss ausgestellt. Dem Verein Werkstattfilm ist es damit gelungen, das visuelle Gedächtnis eines bedeutenden Stückes Stadtgeschichte auszugraben. Begleitend zur Ausstellung ist im Isensee-Verlag der Bildband „Photos aus Oldenburg

1920 - 1935 Der „rollernde Photograph Gustav Alexander Thal„ mit einem Geleitwort von Ober­bürgermeister Dietmar Schütz erschie­nen. Die Ausstellung wurde mit finan­zieller Unterstützung der Oldenburger Landesbank und des Vereins Niedersäch­sischer Bildungsinitiativen in der Stadt Oldenburg ermöglicht. Sie ist Dienstags bis Freitags von 9 Uhr bis 17 Uhr, Don­nerstags von 9 Uhr bis 20 Uhr und Samstags und Sonntags von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.


Magazin ASPHALT ("Nord-West- Empfehlung")

"Fotos vom rollenden Photographen"   
von Frauke Weber 

Eine große Menge Motorradfahrer steht abfahrbereit auf dem Marktplatz. Sie haben sich zur „Zuverlässigkeitsfahrt" des Vereins Oldenburger Mo­torradfahrer zusammengefunden und

werden von dem Fotografen „mit ge­waltigen Kommandoworten" vor sei­nem Apparat aufgebaut. Jeder von ihnen wird vor dem Start noch einmal separat von Gustav Alexander Tahl fotografiert, bevor sich „der unermüd­liche Knipser" zum Schluß selbst auf sein Rad setzt, um an der Fahrt teilzu­nehmen (Zitate aus „Nachrichten für Stadt und Land" vom 10.05.26).

Bei solchen und ähnlichen Oldenbur­ger Ereignissen war der Fotograf und Dokumentarfilmer Gustav Alexander Tahl im Einsatz. Einige seiner Fotos, die lokale Zeitgeschichte der 20er und 30er Jahre dokumentieren, sind zurzeit im Marmorsaal des Oldenburger Schlosses zu sehen.

Tahl kam 1920 nach Oldenburg und eröffnete sein erstes Geschäft („Auf­nahmen zu jeder Tageszeit. Abends bei elektr. Licht"). Im Laufe der Jahre kamen noch zwei weitere im Stadtge­biet hinzu. Für seine Aufnahmen aus dem Bereich Kunst, Industrie und Gewerbe war er mit seinem Motorrol­ler in der Stadt unterwegs („Komme nach auswärts zu jeder Zeit"). Er do­kumentierte Theateraufführungen, Viehmärkte, den Bau des Küsten­kanals oder auch den Besuch Hindenburgs in Oldenburg. Aufnah­men, die er für große Betriebe wie der Fleischwarenfabrik Bölts gemacht hat, geben uns heute Einblick in Alltag und Arbeitswelt zu jener Zeit. Mitte der 30er Jahre  wurde die persönliche  und berufliche Situation für Tahl wegen seiner jüdischen Abstammung zunehmend bedrohlich. Mit seiner Familie flüchte­te er ins niederländische Winschoten,  wo er ein kleineres Geschäft im Tausch  gegen seine Geschäft in Oldenburg übernahm. Doch auch hier war er bald nicht mehr vor den Nationalsozialisten  sicher. Jahrelang versteckte er sich tagsüber in einem  Verschlag auf dem Dach seiner Woh­nung. Er überlebte, zog sich aber durch diese Umstände eine schwere Krankheit  zu, an der er 1954 starb.            

Wiederentdeckt wur­de ein Teil seiner einzigartigen zeitge­schichtlichen Doku­mentation Oldenbur­ger Lebens erst vor einigen Jahren durch den Dokumentarfilmer Farschid Ali Zahedi vom Verein Werkstattfilm. Zuerst war es eine Werbeanzeige Tahls, die Zahedi in einer Zeitung von 1925 entdeckte. Dann kamen Foto-Postkarten von Flohmärkten hinzu. Zufällig fand er auf einem Dachboden einen ganzen Karton mit Aufnahmen von Tahl.

Seine Recherchen führten ihn schließlich nach Winschoten, wo Tahls Familie heute noch lebt und Sohn Friedel und Tochter Margot tatkräftig bei dem Zustandekommen von Ausstellung und Begleitkatalog halfen. An diesem Projekt war auch Melanie Pust vom Verein Werkstatt­film maßgeblich beteiligt. Zur Ausstellungseröffnung kamen Sohn Frie­del, ein Enkel (beide sind übrigens auch Fotografen geworden) sowie ein Urenkel Tahls aus den Niederlan­den angereist.

Die Ausstellung „Der rollernde Photograph" ist noch bis zum 17.03.02 zu sehen. Wer Interesse an einer Führung hat, kann sich direkt bei Farschid Ali Zahedi melden (Tel. 0441-12180). Am 10.03.02 (19 Uhr, Wallkino) und am 17.03.02 (11 Uhr, Schloßsaal) zeigt er außerdem einen Film, der verschiedene Dokumentar­filme Tahls beinhaltet

Begleitend ist ein Bildband erschie­nen, der noch umfangreicheres Ma­terial als die Ausstellung enthält und für 15 Euro im Museum erhält­lich ist.  

 


big-Oldenburg, Februar 2002

Gustav Tahl

Der rollernde Photograph

Das Landesmuseum zeigt eine Ausstel­lung, die sowohl jedem Kunstinteressier­ten als auch jedem alteingesessenen Oldenburger Freude bereiten dürfte: Der Betrachter begibt sich anhand der Bilder des 'rollernden Photographen' Gustav Tahl auf eine Zeitreise und lässt sich in ein Oldenburg der 20er Jahre zurückversetzen.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Verein Werkstattfilm, der sich seit längerer Zeit der Film- und Medienarbeit und der Medi­engeschichte der Region widmet.

Gustav Tahl, der 1920 nach Oldenburg kam, bekam seinen Spitznamen als 'rollernden Photographen', weil er mit seinem Motorroller alle wichtigen Ereignisse der damaligen Zeit in Oldenburg und Umgebung begleitete und mit sei­ner Kamera dokumentierte. Ob Sportveranstaltungen, die Einweihung der ersten Straßenbahn oder der Besuch Hindenburgs in der Huntestadt - Gustav Tahl eröffnet nicht nur einen tiefen Ein­blick in die Geschichte der Stadt, sondern findet dafür auch eindrucksvolle visuelle Bilder. Der vielseitige Künstler beließ es jedoch nicht bei seiner Karriere als Fotograf; er eröffnete ein Fotogeschäft für Kunst, Industrie und Gewerbe in Osterburg und gestaltete Filmplakate für das Wallkino und die Wunderburg Lichtspiele. Zunehmend interessierten ihn neben der Foto­grafie auch die bewegten Bilder. Als erster Dokumentarfilmer in Oldenburg drehte er Filme wie 'Leben und Treiben in den städtischen Flussbadeanstalten', 'Parade der Reichswehr', oder 'Bauerntag in Oldenburg'.

Sein Film über den Küstenkanalbau fand ab 1925 in vielen Kinos deutschlandweit große Beachtung. Die politische Lage zwang den jüdi­schen Gustav Tahl 1936, sein Geschäft aufzuge­ben und mit seiner Familie Oldenburg zu ver­lassen. Sie ließen sich in den Niederlanden nie­der.

So zeigt die Ausstellung gleichermaßen künst­lerische Schaffenskraft und Ausschnitte realer Zeitgeschichte.  

TAMAR NOORT

Bis zum 17. März im Landesmuseum Oldenburg. Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Bildband.  


Rundfunkbeitrag von Günter Beyer, gesendet im NordwestRadio am 24.1.2002

Sprecher:

Der Fotograf war in Oldenburg unübersehbar - und unüberhörbar. Auf seinem motorisierten "Krupproller", bepackt mit Kamera, Stativ und allen möglichen Utensilien, knatterte Gustav Alexander Tahl zum Aufnahmetermin. 1920 hatte sich Tahl mit Frau Margarethe als Werbe- und Industriefotograf im Stadtteil Osternburg niedergelassen. Seine Spezialität waren Reportagen aus Industrie und Arbeitswelt sowie Innenaufnahmen von Läden und Handwerksbetrieben. Da lässt der Unternehmer Bölts die vielköpfige Belegschaft seiner Fleischwarenfabrik in Arbeitskluft vor der Werksfassade antreten - bitte recht freundlich! Wie beschaulich noch in den 20er Jahren in einer Kellerei Wein auf Flaschen gezogen wurde - wir wissen es dank des "rollernden Fotografen". Rund, 80 Fotos werden nun im Marmorsaal des Schlosses vorgestellt. Die technisch makellosen, großformatigen Bilder hat Tahls Sohn Friedrich von den kleinen Originalen reproduziert. Erst Anfang der neunziger Jahre war Ausstellungsmacher Farschid Ali Zahedi vom Oldenburger Verein "Werkstattfilm" auf den vergessenen Fotokünstler aufmerksam geworden.

Zahedi:

"Wir versuchen, eine kurze Zusammenfassung Oldenburg in den 20 Jahren zu zeigen. Das heißt, eine Stadtansicht, Überblick über Industrie und Landwirtschaft, Reklamefotografie und Erlebnisorte wie Kino, Theater etc, Besuch Hindenburgs und alles, was in Oldenburg in 20er, 30er Jahren passiert."

Sprecher:

Einer der ersten großen Aufträge war eine Fotodokumentation über den Bau des Küstenkanals. Tahl hielt nicht nur die teils primitiven Arbeitsbedingungen anschaulich und ohne Pathos fest. Erhalten ist auch eine gutgemachte Werbemappe mit Fotos, die Zeitungsleuten als Public-Relations-Material in die Hand gedrückt wurde. Gustav Tahl war auch begeisterter aktiver Motorsportler. 1926 machte er während eines Motorradrennens Schnappschüsse, was ihn nicht hinderte, als Dritter ins Ziel zu kommen. Manche Aufnahme erweist sich im Nachhinein als leises, feinfühliges Seismogramm kommenden Unheils. Etwa eine erwartungsvolle Menschenmenge vor einem Kino. Man spielt den Streifen "Krach um Jolanthe", die Verfilmung des niederdeutschen Theaterstücks "Swienskumedi" aus der Feder des völkischen Schriftstellers August Hinrichs, später Leiter der NS-Schrifttumskammer für Weser-Ems. 1935 erklärt eine ahnenforschende Behörde Tahl wegen eines jüdischen Großvaters zum sogenannten "Halbjuden".

Zahedi:

"Tahl bekommt Schwierigkeiten, die Schaufenster im Geschäft kaputt gemacht, mehrere Drohbriefe, verschiedene Anschläge. Deshalb Tahl musste mit seiner Familie das Land verlassen."

Sprecher:

Tahl lässt sich auf einen kuriosen Handel ein, der ihm wohl das Leben gerettet hat. Er tauscht sein Unternehmen mit einem in Holland bedrängten nazifreundlichen Fotografen. Der Niederländer zieht nach Oldenburg, Tahl geht mit der Familie nach Winschoten und überlebt die deutsche Besetzung ab 1940 in einem Versteck. Neben ihrem dokumentarischen Wert besitzen Gustav Tahls Bilder auch unbedingt künstlerische Qualität, meint Ausstellungsmacher Farschid Ali Zahedi:

Zahedi:

"Der Tahl hat ein besonderes Auge gehabt. Das sind jedenfalls keine Zufallsfotos. Sie sind gedachte, ganz bewusste Gestaltung. Da, sage ich so, wir sind heute auf Gustav Tahl ziemlich stolz, dass solche Künstler damals gelebt haben."